Der Biohof Rigi

Seit Herbst 1985 bewirtschaften Regula und Niklaus Bolliger-Flury den Hof Rigi nach den Grundsätzen der biologisch-dynamischen Wirtschaftsweise. Im Einklang mit der Natur entstehen so hochwertige Lebensmittel. Dank der Direktvermarktung kann der Weg vom Hof auf den Tisch so kurz wie möglich gehalten werden. Optimale Reife und Frische sind die Qualitätszeichen unserer Hofprodukte.

Unsere Geschichte

Als junge Familie mit einem Baby im Snuggly besichtigten wir an Pfingsten 1985 den Hof Rigi in Hessigkofen. «Ihr könnt den Hof haben, wenn ihr wollt», sagte der alte Bauer nach dem Rundgang, «aber es muss schnell gehen, ich mag nicht mehr». – Im September des gleichen Jahres zogen wir mit einem kleinen Lieferwagen voll Möbel und Kisten ein. Nach zweijährigem Suchen hatten wir endlich einen eigenen Hof; nun konnten wir uns einrichten. Da würden wir bleiben, für lange ... für immer. Wir hatten eine unbeschreibliche Lust unseren kleinen Flecken Erde zu gestalten, zu schaffen, zu kultivieren, zu produzieren.

Wir ernteten, was die alten Obstbäume noch so hergaben: Boskoop für in den Keller, Birnen für ins Fass und ein paar Zwetschgen zum Verkaufen. Anfang Oktober bekamen wir drei Kühe, die wir zunächst von Hand molken. Ein Onkel spendierte uns ein Dutzend Hühner mit Hahn. Die schönen Herbsttage nutzten wir noch, um Zwiebeln zu stecken und Spinat zu säen. Im November erhielt unsere kleine Familie Zuwachs. Salomé bekam eine kleine Schwester: Rosa.

Wir stammten beide nicht aus bäuerlichen Verhältnissen. Man könnte sagen Stadtrandkinder mit Bezug zur Natur, was uns dazu bewogen hatte, an der ETH Agronomie zu studieren. Jetzt waren wir selbständig und konnten so wirtschaften, wie wir wollten und nicht unbedingt nach der gültigen Lehrmeinung. – Aber wir verstanden uns nicht als Aussteiger, wir suchten keine Selbstversorgeridylle in einem verlassenen Bergtal. Wir waren Einsteiger, Neueinsteiger, Quereinsteiger und schon auch Querdenker. Wir hatten ja nun einen Hof mitten im fruchtbaren Mittelland. Den wollten wir gestalten, um gute Nahrung in die Stadt liefern zu können. In Solothurn kannten wir bereits einige Leute. Wir freuten uns darauf, dorthin auf den Markt zu fahren.

Die Ideen der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, die bereits 1924 von Rudolf Steiner aus der Anthroposophie heraus impulsiert worden war, begeisterten uns. Als geisterfüllter, lebendiger Organismus war Erde und Weltall zu verstehen, nicht als grosses Uhrwerk, nicht als Mechanismus, wo vom Urknall bis heute alles in kausaler Verknüpfung zufällig seinen Lauf genommen hatte. Im Mikrokosmos der einzelnen Zelle zeigt sich das Wirken der Kräfte des Makrokosmos. So verstanden macht Evolution Sinn und der Mensch hat darin seinen festen Platz und seine Aufgabe. – Ein philosophisches Gedankengebilde kann sehr beeindruckend sein. Ob es realitätsbezogen oder weltfremd ist, zeigt sich aber sobald man versucht, es im Alltag umzusetzen. So wurde für uns der Biohof Rigi zum Experimentierfeld für biologisch-dynamische Landwirtschaft. Die wachsende Fruchtbarkeit unseres Betriebes bestärkt uns heute in der Überzeugung, dass der Ideenhintergrund unserer Betriebsweise richtig ist.

Der Grossvater von Niklaus zog im Winter 1985 auch noch zu uns auf den Hof. Er war mit seinen 87 Jahren noch sehr fit. Er schaute nach seinen beiden Urenkelkindern, bereitete das Gemüse für das Mittagessen vor und am Nachmittag zog er mit dem Hackeli ins Gemüsefeld. Zudem waren auch ein Lehrling und eine Praktikantin zu uns gestossen. Wir arbeiteten viel und probierten manches aus – Neues und Altes. Wir fühlten uns wohl in Hessigkofen und erhielten oft unerwartet Hilfe, wenn es nötig war.

Im Frühling 1986 ging Niklaus mit einem kleinen selbst zusammengebastelten Stand zum ersten Mal in Solothurn auf den Markt. Es gab noch nicht viel zu verkaufen, und ein paar Feldblumensträusse halfen den Stand zu füllen. Die Solothurnerinnen schienen nicht gerade auf den neuen Biostand gewartet zu haben. Immerhin kamen einige von unseren Bekannten und bis Mittag war doch etliches verkauft. 
Im Stall standen unterdessen acht Milchkühe. Die mussten gefüttert und gemolken sein. Morgens um 7 Uhr hatte die Milch spätestens in der Dorfkäserei zu sein. Damals war in unserem Dorf landwirtschaftlich noch eine heile Welt. In den Ställen der behäbigen Bauernhäuser standen schöne Kühe, ihre Milch wurde zu Emmentaler verkäst und am Ende des Monats trafen sich die Bauern mit dem Käser im Restaurant Sternen zur Milchgeldzahlung. Bei solchen Anlässen wurde dem Biobauern auch erörtert, was Ordnung und Brauch war im Dorf: Natursprung mit einem ungekürten Stier: verboten; Kartoffeln spritzen: unabdinglich! Am lautesten ging es aber bei der Atomkraftthematik zu.

Der Gemüseanbau war am Anfang nicht einfach, der Boden gab nichts her. Die Bodenanalysen bestätigten unseren Eindruck: Humusgehalt sehr tief, Hauptnährstoffgehalte tief, Kalkversorgung und pH-Wert ungenügend. So begannen wir den Boden mit Kompost aufzubauen. Die sorgfältige Aufbereitung Hofdünger, der Einsatz der biologisch-dynamischen Präparate, Gründüngung und schonende Bodenbearbeitung führten zu einer markanten Verbesserung des Bodens. Die Erträge verbesserten sich fortan von Jahr zu Jahr. Da wir in Solothurn immer mehr Absatz hatten, und Regula in Ittigen (BE) im Einkaufszentrum Talgut einen neuen Markt aufbaute, konnten wir den Gemüsebau jedes Jahr etwas ausweiten. Wir gestalteten unseren Hof als vielseitigen Organismus. Die Hühnerhaltung wurde schrittweise auf 70 Legehennen ausgebaut und wir hielten auch noch ein paar Schafe und Schweine. Was uns fehlte waren Früchte für den Markt. Mitte der 90er Jahre gab es verschiedene Umstrukturierungen: Im Dorf wurde die Käserei geschlossen und auf dem Betrieb erforderten neue Vorschriften Investitionen in der Milchviehhaltung. Da ergab sich in Brunnenthal die Möglichkeit zwei Obstanlagen mit Äpfeln und etwas Birnen zu pachten. Wir beschlossen, das Melken aufzugeben und unseren Betrieb noch mehr auf Gemüse- und Obstbau auszurichten. In der Tierhaltung wurden zunächst neben den Schafen Aufzuchtrinder gehalten, später stellten wir ganz auf Mutterkuhhaltung um.

Die Familie vergrösserte sich 1989 mit Cyrill und 1992 mit Léonie. Regula organisierte sich sehr gut mit den vier Kindern; schon im Vorschulalter kneteten sie mit Begeisterung Teig oder rührten die Zutaten für Kuchen. Und auch draussen im Gemüsefeld war stets eine «Baustelle» für die Kleinen bereit.
 Für die sechsköpfige Familie mussten wir nun das Bauernhaus sukzessive den wachsenden Bedürfnissen anpassen, renovieren und ausbauen. Wer am Morgen selbständig aufstehen konnte, bekam ein eigenes Zimmer im ersten Stock. 
Die vier Kinder besuchten die Rudolf Steiner Schule in Solothurn. Sie hatten zwar einen langen Schulweg, aber es war uns ein Anliegen, sie auf eine Schule zu schicken, deren Pädagogik auf denselben Grundlagen beruht wie die von uns praktizierte Landwirtschaft. So konnte unsere Familie über zwei Jahrzehnte aktiv teilnehmen an der Schulgemeinschaft, der wir uns auch weiterhin sehr verbunden fühlen.

Seit 1996, als Niklaus mit dem Obstbau in Brunnenthal begann, hat Regula den Gemüsebau vollständig übernommen. Sie produziert mit Hilfe von zwei bis drei Lernenden nahezu alles für die Direktvermarktung benötigte Gemüse.

Der Obstanbau stellte eine ganz neue Herausforderung dar. Apfelanbau als Intensivkultur bedarf grosser Aufmerksamkeit und intensiver Pflege. Nichts darf schief gehen, sonst ist der ganze Ertrag eines Jahres gefährdet. Regelmässig muss zwischen den Baumreihen gemulcht werden, mit verschiedenen Hackdurchgängen wird der Boden unter den Bäumen bewuchsfrei gehalten. Doch am wichtigsten ist der Pflanzenschutz. Die Apfelsorten in den neu gepachteten Anlagen waren alle sehr schorfanfällig, was viele Spritzungen (mit biotauglichen Mitteln) notwendig machte. Auch gegen Blattläuse und gegen Apfelwickler musste gespritzt werden. Während wir vom Gemüsebau her gewohnt waren, dass in der Regel Krankheiten und Schädlinge keine besonderen Kalamitäten darstellten, mussten wir lernen, dass dies beim Obst nicht so ist. 
Um diese Probleme von Grund auf anzugehen, beschloss Niklaus züchterisch tätig zu werden. Sein Ziel war es, aromatische und schmackhafte Apfelsorten zu entwickeln, die auch ohne permanente Spritzungen auskommen können (siehe auch Poma Culta).

In Zusammenarbeit mit der Metzgerei Bärtschi in Schüpfen wurde die Direktvermarktung von Fleisch aufgebaut. So können die Jungtiere aus unserer Mutterkuhherde in Form von 10kg-Mischpaketen direkt an die Kunden vermarktet werden. Dies ermöglicht es, dass aus der (wirtschaftlich gesehen) zu kleinen Herde von nur sechs Mutterkühen doch ein selbsttragender Betriebszweig geworden ist und können wir unserer interessierten Kundschaft mehrmals pro Jahr Bio-Weidefleisch anbieten.

Wo stehen wir heute nach bald 30 Jahren? Die Kinder sind ausgeflogen, doch das Haus ist nicht leer. Junge Menschen leben und arbeiten mit uns. Sie machen verschiedene Ausbildungen wie die Lehre zur Gemüsegärtnerin, die landwirtschaftliche Lehre mit Spezialisierung auf Biolandbau, die biologisch-dynamische Ausbildung oder auch einfach ein Praktikum. Von vielen Familienaufgaben entlastet, kann sich Regula nun vermehrt auch dem Maskenspiel und theaterpädagogischen Projekten widmen und Niklaus findet Zeit, mit dem Kontrabass in einer Jazz-Band zu spielen.

Der Fokus liegt heute auf der Optimierung der Betriebsabläufe einerseits und auf der weiteren Verbesserung und Sicherung der Qualität unserer Produkte andererseits. Im technischen Bereich konnte der Energieverbrauch gesenkt werden. Zudem produziert die Optima Solar Genossenschaft seit Frühling 2012 mit einer Photovoltaikanlage auf dem neuen Schuppen fast so viel Strom, wie der Betrieb verbraucht. Im Gemüsebau bringen neue und praktischere Folientunnels eine wesentliche Verbesserung für den Anbau.

Der Biohof Rigi ist zu einem harmonischen Organismus geworden, mit eigenen inneren Rhythmen. Die verschiedenen Betriebszweige stehen in gegenseitiger Beziehung und bilden eine individuelle Ganzheit. Tierhaltung und Pflanzenbau sind in einem ausgewogenen Verhältnis zueinander. Die intensiven Obst- und Gemüsekulturen finden in Hecken und Magerwiesen ihren Ausgleich. Unmittelbar neben unserem Hof konnte als Ersatz für die Obstanlagen in Brunnenthal, die wegen Pachtende an ihren Besitzer zurückgingen, im Sommer 2007 eine neue Fläche Land erworben und das «Pomaretum» aufgebaut werden. Da steht nun, umsäumt von Hecken, die neue Apfelanlage für die Versorgung des Marktes, da wachsen die Sämlinge der Poma Culta Apfelzüchtung zu neuen Sorten, und da gedeihen 65 Hochstammbäume zu künftigen Mostobstlieferanten.

Die Qualität unserer Produkte liegt uns besonders am Herzen. Es geht ja nicht allein um die stoffliche Zusammensetzung. Vielmehr spiegelt sich in der Nahrung all das, was sich an Lebensprozessen während Wachstum und Reife abgespielt hat. Qualitativ hochwertige Nahrung stärkt deshalb nicht nur den Körper, sondern fördert auch das seelisches Wohlbefinden und die geistige Regsamkeit. Wir haben im Laufe der Jahre gelernt, was es dazu braucht, dass gute Lebensmittel entstehen. Die Basis bildet der gut gepflegte, gesunde Boden. Dann kommt der Sortenwahl eine grosse Bedeutung zu. Die Pflanze muss für die Jahreszeit, das Klima, den Boden des Standortes und nicht zuletzt für den biologischen Anbau passen. Wir wenden deshalb bei der Sortenwahl viel Sorgfalt auf, das heisst, wir meiden Hochertrags-Hybridsorten und bauen, wenn immer möglich, biologisch-dynamisch gezüchtete Sorten an. Dies bedingt aber eine arbeitsintensive eigene Anzucht der Setzlinge.

Die biologisch-dynamischen Präparate geben uns weitere Möglichkeiten, die Qualität positiv zu beeinflussen. Die Kompostpräparate und das Humuspräparat fördern die Pflanze über eine Verlebendigung des Bodens. Das Kieselpräparat, das aus Bergkristall hergestellt wird, intensiviert die Beziehung der Pflanze zum Licht. Dies begünstigt die harmonische Stoffbildung und fördert Reifeprozesse, Aroma und Haltbarkeit.

Möglichst kurze Transportwege vom Feld auf den Teller tragen dazu bei, dass die Qualität nicht unterwegs verloren geht. Die Direktvermarktung, sei es am Marktstand oder über die Gemüsetaschen im Abo, ist uns aber noch aus einem anderen Grund wichtig: Wenn wir wissen, für wen wir produzieren, motiviert uns das für unsere Arbeit, und wir freuen uns, mit unseren Produkte ein Bindeglied zwischen Stadt und Land oder etwas weiter gefasst, zwischen Gesellschaft und Natur, zu sein.

Hessigkofen, den 20. 9. 2012
Niklaus & Regula Bolliger-Flury